Rituale

So sehr ich ja Abwechsung liebe, es gibt doch Sachen, die habe ich gerne ordentlich.

Das fängt schon morgens an. Sobald mein Herrchen aufgestanden ist, kommt er zuerst in mein Schlafzimmer (sein Wohnzimmer) und begrüßt mich mit einer Krabbeleinheit. Wenn ich munter genug bin, laufe ich ihm auch schon mal zur Begrüßung entgegen. Wenn er die Wohnung verläßt, um zur Arbeit zu gehen, bleibt die Türe einen Spalt offen, so kann ich dann mein Frauchen wecken. Na ja, sie ist morgens nicht übermäßig gut gelaunt, und manchmal bittet sie mich, sie noch ein Stündchen schlafen zu lassen (was ich tue, wenn ich nicht wirklich "muß"), aber meine Streicheleinheiten bekomme ich trotzdem. Anschließend geht sie mit mir herunter und deckt mich mit meiner Decke zu. Ich schlafe dann gerne noch ein wenig.

Spätestens, wenn Jule raufgepoltert kommt, ist Frauchen endgültig wach, und es geht raus in den Garten. Wir marschieren anschließend gleich ins Badezimmer, weil wir dann die Augen ausgewischt und die Ohren nachgesehen bekommen. Kämmen steht auch an, was allerdings weder Jule noch mir übermäßig gefällt. Seit dem mein Frauchen eine Bürste gefunden hat, mit der sich auch bei mir Haare auskämmen lassen, ist sie noch gründlicher. Jule und ich lassen die Angelegenheit seufzend über uns ergehen, Frauchen läßt da ohnehin nicht mit sich reden, und freuen uns schon auf unsere Belohnung. Sobald das Signal "Fertig!" gegeben wird, schubsen wir uns in die Küche und setzen uns erwartungsfroh nebeneinander. Zuerst gibt es ein Stückchen Hundeschokolade und anschließend für jeden ein Löffelchen Olivenöl, und ein weiteres, welches Jule und ich uns teilen. Olivenöl ist das Größte überhaupt. Mir läuft schon allein bei dem Gedanken das Wasser im Mund zusammen, und die Zunge fährt in reiner Vorfreude um die Nase….

Zu den wichtigsten Angelegenheiten gehört dann das Spazierengehen. Wenn die Zeit gekommen ist, lasse ich mein Frauchen (an Sonn- und Feiertagen auch mein Herrchn) nicht mehr aus den Augen. Wenn sie dann endlich die richtige Hose anzieht, gibt es kein halten mehr. Blöd ist, daß Jule und ich uns zum Anziehen dann wieder setzen müssen, wo wir doch gar nicht mehr stillstehen, geschweige denn stillsitzen können und unbedingt loswollen. Haben wir Glück (haben wir oft), geht es nicht in den benachbarten Hundewald, der klein und auf die Dauer langweilig ist und durch den auch noch eine Straße mittendurchführt, was dann wieder anleinen und hinsetzen bedeutet, sondern mit dem Auto in für uns alle viel schönere Gegenden. Wenn wir dann vom Toben müde, abgekämpft und ausgehungert wieder nach Hause kommen, gibt es Futter und anschließend ein ausgedehntes Nickerchen.

Das ist praktisch, weil mir dann die Zeit, die ich alleine bin, nicht so lang vorkommt. Als ich klein war, habe ich noch einen Anstandsjauler losgelassen, wenn meine Leute mich allein ließen, heute spare ich mir das. Wenn dann aber die Zeit gekommen ist, zu der ich einen meiner Lieben zurückerwarte, werde ich unruhig, laufe in Jules Wohnung und sehe dort im Erker aus dem Fenster. Diese reichen fast bis zum Boden. Jule liegt dort gerne auf einer Fensterbank, und ich sitze meistens auf einem Sessel, um hinauszusehen. Ist wie eine Art Hundefernsehen! Und wenn sie dann endlich kommen, freue ich mir ein Loch in den Bauch, randaliere ein wenig an der Eingangstüre und überschütte sie mit meiner Zuneigung. Nur etwas gelingt mir nur ganz selten, nämlich ihnen (verbotenerweise) einmal so richtig durch das Gesicht zu lecken. Das haben sie erstaunlicherweise nicht gerne! Aber es ist unglaublich, wie lang der Hals eines Menschen werden kann… länger als meine Zunge! Anschließend renne ich die Treppe rauf, um mir auf dem oberen Absatz weitere Streicheleinheiten abzuholen, bevor ich mich in der Küche erwartungsfroh vor den Schrank mit der einzig interessanten Schublade setze, nämlich der mit den Köstlichkeiten. Ich bekomme zum Trost für das Alleinesein drei Leckerchen. Und bis drei kann ich ganz gewiß zählen!

Wenn es auf die Schlafenszeit zugeht, kuscheln meine Leute noch ein wenig auf dem Sofa mit mir, Jule ist oft auch dabei. Anschließend geht es nochmal raus, und dann kann ich meine wohlverdiente Nachtruhe genießen.

Es gibt aber auch außerplanmäßige Rituale. Sollte ich mir beispielsweise einen Dorn in eine Pfote getreten haben, brauche ich sie nur einem meiner Leute zu zeigen, und schon kümmern sie sich darum. Der Dorn wird entfernt und ich getröstet, und schon ist die Welt wieder in Ordnung.

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